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Editorial November

Editorial November
HH Media Server/Christian Brandes

Das Bundesverfassungsgericht (BVG) hat entschieden, dass nicht verwendete Pandemiefinanzmittel, nicht ergänzend zum Bundeshaushalt für andere Zwecke, wie z.B. Investitionen und Förderprogramme für den Klimaschutz, verwendet werden dürften. Auch wenn das finanzpolitisch begründbar sein mag: das gleiche BVG entschied erst 2021, dass die (vorherige) Bundesregierung ihre Klimapolitik nicht so wenig ambitioniert betreiben dürfe, dass künftige Generationen keine Handlungsspielräume mehr hätten. Der Bundesfinanzminister beharrt trotzdem jetzt auf Einhaltung der Schuldenbremse; verschiedene Klimaschutzmaßnahmen sollen auf den Prüfstand. Gleichzeitig möchte er über 2024 hinaus für die Gastronomen den verringerten Mehrwertsteuersatz beibehalten. Wer soll das verstehen?

Die meisten Klimaforscher und Wirtschaftsforschungsinstitute gehen davon aus, dass Deutschland mit den aktuellen und schon geplanten Klimamaßnahmen die geplante Verringerung der Treibhausgase für 2030 erheblich verfehlen wird. Wie wird es erst, wenn die Schuldenbremse in der aktuell rigiden Form beibehalten wird und viele geplante Klimaschutzmaßnahmen gar nicht umgesetzt werden können, da sie mit der Schuldenbremse nicht finanzierbar sind? Deutschland würde seine Klimaschutzziele haushoch verpassen. Aber, spätestens ab 2027, werden auch die Bereiche, die bisher nicht den CO2-Zertikatehandel unterliegen, (z.B. Heizung, Mobilität), Teile dieses Systems. Deutschland müsste Ausgleichszahlungen leisten, wenn die CO2-Minderungsziele in diesen Sektoren nicht eingehalten würden. Experten erwarten, dass diese Ausgleichszahlungen durchaus im niedrigen zweistelligen Milliardenbereich liegen könnten.

Also: heute Geld „gespart“, das wir in fünf Jahren an die EU abführen dürften, ohne dass der Klimaschutz in Deutschland irgendetwas davon hätte? Ich unterstütze Professor Otmar Edenhofer in seiner Ansicht, dass der einzige Weg aus dieser klimapolitischen Katastrophe darin liegen kann, dass Deutschland deutlich vor 2027 eine signifikante, schrittweise CO2-Bepreisung in den Sektoren einführen sollte, in denen dies bisher nicht erforderlich war. Der ETS-CO2-Zertikatehandel hat seit der Reform 2018 für Industrie und Energiesektor sehr gut funktioniert: hier sind die Emissionen am stärksten gesunken. Die Einnahmen aus dieser CO2-Bepreisung sollten als Klimageld an die Bürger*innen als Pauschalen ausgezahlt werden. Übrigens: diese Pauschale hatte die Koalition in der Koalitionsvereinbarung schon versprochen, aber bisher mit Verweis auf fehlende Kontodaten der Haushalte (fehlende Digitalisierung!) verschoben.

Die Opposition – auch die regierungsinterne – hat seit Langem verkündet, dass sie den Klimaschutz durch einen umfassenden Zertifikatehandel volkswirtschaftlich effizient erreichen wolle und nicht durch Förderpolitik. Jetzt hat sie endlich die Chance dazu, die Schuldenbremse weiter zu entwickeln so dass Zukunftsinvestitionen anders gewertet werden und gleichzeitig den Klimaschutz so aufzustellen, dass er wirklich effektiv wird. Wenn nicht, droht die klimapolitische Bankrotterklärung des größten EU-Staates.

Über Jan Rispens

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Seit Gründung in 2011 ist Jan Rispens, als gelernter Elektrotechnik-Ingenieur, Geschäftsführer der EEHH Clusteragentur und seit 20 Jahren aktiv im Bereich nachhaltige Energieversorgung und Klimaschutz.

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